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09.02.2021 Umnutzung statt Leerstand: Strukturwandel der Cities birgt Chancen

Die deutschen Innenstädte wurden durch die Hygienemaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in eine Art Dornröschenschlaf versetzt: Wann der Handel seine Türen wieder öffnen darf, ist unklar, wann ein normaler Geschäftsbetrieb wie vor der Pandemie wieder möglich ist, steht ebenfalls in den Sternen.

Sicher ist aber, die Innenstädte werden nach Corona nicht mehr wie vorher sein. Die Pandemie wirkt wie ein Katalysator für eine Krise, die sich durch die Onlinekonkurrenz, das Kaufhaussterben und verändertes Einkaufsverhalten in den Fußgängerzonen bereits abzeichnete. Einigen Immobilien droht der Leerstand. Höchste Zeit also, sich Gedanken über das Krisenmanagement zu machen, neue Konzepte zu entwerfen, statt an alten Konstrukten festzuhalten, Möglichkeiten der Umnutzung und Neustrukturierung des Mieterbesatzes zu eruieren: Den Strukturwandel als Chance zur Transformation begreifen und die Wiederbelebung der Innenstädte neu denken.

Iris Schöberl, Managing Director bei BMO Real Estate Partners Germany, und Dr. Michael Held, CEO der Terragon AG, erkennen die Potenziale, die im Wandel liegen und plädieren für ein Umdenken in der Nutzung der A-Lagen für eine heterogene und lebendige Innenstadt. Die Akzeptanz der Veränderung bringt auch neue Gestaltungsmöglichkeiten und ebnet den Weg für neue Konzepte, die letztlich den Nutzern, der Stadt und dem Handel zugutekommen.

Sechs Thesen zur Zukunft der Innenstädte

1. Neue Gestaltungsmöglichkeiten insbesondere in den Mittelstädten
Anders als in den Großstädten sind die Einkaufsstraßen in Mittelstädten durch einen geringeren Filialisierungsgrad gekennzeichnet und stärker auf ein Zentrum fokussiert. Nicht selten bilden ein oder wenige große Filialisten den Kern der Highstreet – flankiert von lokalen Retailern. Durch den Wegfall zentraler Ankermieter ist der Handlungsdruck in diesen Städten akuter, aber die Gestaltungsmöglichkeit aufgrund des geringeren Miet- bzw. Preislevels auch realistischer.

2. Mixed-Use-Konzepte müssen in bestehende Stadtstrukturen integriert werden
Die verfügbaren Flächen bieten die Möglichkeit, die noch oftmals vorhandene Trennung von Einkaufen, Wohnen und Leben in der „klassischen“, durch Einzelhandel dominierten Innenstadt aufzuheben. Insbesondere die Umstrukturierung von nicht mehr bzw. nur teilweise genutzten großen Warenhäusern kann hier als Chance und Impulsgeber verstanden werden.

3. Umnutzung weiterdenken: Servicewohnen zieht in leerstehende Kaufhäuser
Innenstädte bieten eine hohe Lebensqualität für Senioren. Die Stadt der kurzen Wege bietet nahe gelegene Serviceleistungen, die den Bedürfnissen von Senioren besonders entgegenkommen, und verbindet aktuelle Herausforderungen wie den demografischen Wandel und das Kaufhaussterben miteinander – Demografie und Leerstand als Teile eines Diskurses.

4. Innenstädte wandeln sich aufgrund ihrer neuen Bewohnerschaft
Wenn wieder mehr Wohnraum in den Innenstädten entsteht und auch alternative Wohnkonzepte wie z.B. betreutes Wohnen Einzug erhalten, wird die Innenstadt auch für Dienstleister wieder attraktiver. Aus dem neuen Besatz ergeben sich Synergien, die sich an den Kernbedürfnissen der Nutzer orientieren. Innenstädte profitieren von der gesteigerten Aufenthaltsqualität und werden auch nach Ladenschluss zu einem lebendigen Ort.

5. Impact Investing wird immer attraktiver
Investoren sehen vermehrt Chancen in der Umnutzung von Handelsimmobilien und gestalten ihre Anlageentscheidungen flexibler. Nicht mehr die Rendite steht einzig im Fokus der Investition, sondern auch ein Mehrwert für die Gesellschaft und die Umwelt – Value für alle Stakeholder.

6. Städte brauchen neue Konzepte für Innenstadtnutzung
Städte und Kommunen müssen ihre Innenstadtkonzepte überdenken und einen Kurswechsel anstreben. Hierzu bedarf es einer Lockerung baurechtlicher und -technischer Regelungen, um Synergien zu schaffen und für eine Belebung zu sorgen.

Iris Schöberl, Managing Director bei BMO Real Estate Partners Germany: „Wir haben schon zahlreiche Erfahrungen damit gesammelt, bislang vom Einzelhandel geprägte Objekte in Innenstadtlagen umzunutzen. Gute Konzepte verbinden dabei eine Büro- oder Wohnnutzung in den oberen Stockwerken mit Einzelhandel, Gastronomie oder Kultur im Erdgeschoss. Um Leerstand zu vermeiden, müssen Städte auf Dauer flexibler werden, ihre Baugenehmigungen lockern und auch mal Interims-Nutzungen zulassen. Der hohe Filialisierungsgrad führt zu immer mehr Monokultur und wenn diese wegbricht, entstehen Lücken. Investoren sollten sich daher fragen, ob ihre aktuellen Konzepte noch nachhaltig sind und im Zweifel in Zusammenarbeit mit Eigentümern und Politik Ideen zur Umgestaltung entwickeln, für eine auch zukünftig moderne und lebendige Innenstadt, die auch nach Ladenschluss mit Leben erfüllt ist. Dabei ist aber auch klar, dass sich die A-Lagen künftig in ihrer horizontalen und vertikalen Ausrichtung verkleinern werden und Platz für Wohnen und Büro machen.“

Dr. Michael Held, CEO der Terragon AG: „Die innerstädtischen Standorte sind für ältere Menschen attraktiv, da sie fußläufig die Dinge des alltäglichen Bedarfs erreichen können und dafür auch kein Auto brauchen. Wir prüfen vor diesem Hintergrund auch die Umnutzung von ehemaligen Einzelhandelsflächen in Innenstadtlagen und stehen mit unserem Know-how zum Thema Quartiersentwicklung, Barrierefreiheit und Service-Wohnen für Senioren bereit, die Städte und Kommunen bei der Ausarbeitung neuer Innenstadtkonzepte zu unterstützen. Auch ehemalige Kaufhäuser können sich für eine solche Umnutzung eignen – wir prüfen das im Einzelfall. In Wilhelmshaven und Lüdenscheid arbeiten wir an der Realisierung konkreter Projekte und befinden uns aktuell in vielen vielversprechenden Gesprächen zu anderen Standorten.

Die Frage, wie die Zukunft unserer Innenstädte aussehen könnte, steht nicht erst seit Corona im Raum. Sie ist nur drängender geworden. Ein Problem, das wir aktuell noch haben, ist die Lernkurve der Eigentümer. Für diese ist es ein schmerzhafter Prozess, sich von einer Einzelhandelsnutzung und den damit bislang zu erzielenden Preisen zu verabschieden. Manche sind da schon weiter und erkennen, dass sie ihre Renditen mit Assets einer niedrigeren Risikoklasse stabilisieren können, andere brauchen noch ein wenig Zeit.“








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