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16.02.2021 Neuer urbaner Maßstab: Tübinger Westspitze von a+r Architekten

Fotocredit: Brigida González
a+r Architekten haben nahe der Tübinger Innenstadt die „Westspitze“ entworfen, einen Büro- und Gewerbebau in ökologisch hochwertiger Holz-Hybrid-Bauweise, der zu den ersten Projekten dieser Größenordnung in Deutschland zählt. Mit seiner innovativen und so gut wie unsichtbaren Solarfassade ist das Gebäude in jeder Hinsicht nachhaltig und ein kompaktes „Kraftwerk“. Im August 2020 wurde der markante Gewerbeturm fertiggestellt, der den Abschluss eines Wohn- und Geschäftskomplexes markiert und gleichzeitig das repräsentative Entrée in das neue Quartier am Güterbahnhof bildet.

Als „Muster an Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit“ wurde das im August 2020 fertiggestellte, siebengeschossige Gewerbe- und Bürohaus an der Tübinger Westspitze bereits von der regionalen Presse gelobt, ebenso als städtebauliches Zeichen, das eine neue, urbane Maßstäblichkeit markiere. Tatsächlich zählt das in Holz-Hybrid-Bauweise errichtete Gebäude zu den ersten Projekten dieser Größenordnung in Deutschland und wurde im Auftrag der Westspitze GmbH von a+r Architekten Stuttgart/Tübingen entworfen.

Die Bauherrin wünschte sich ein Gebäude mit hohem ökologischen Anspruch

Die Westspitze Gewerbebau GmbH & Co. KG, an der die UmweltProjekt GmbH (eine Tochter der Umweltbank AG Nürnberg) mit 50 Prozent und rund 10 Privatanleger aus Tübingen und Umgebung mit den restlichen 50 Prozent beteiligt sind, wünschte sich ein Gebäude mit hohem ökologischem Anspruch und den Einsatz von Holz für das Tragwerk. Energetisch sollte der KfW-55-Standard eingehalten werden, was laut Aussage von Oliver Braun, Geschäftsführer bei a+r Architekten und verantwortlich für das Projekt Westspitze, „für ein Bürogebäude anspruchsvoll ist“. Zur Stromerzeugung sollte Photovoltaik integriert werden und der Anspruch war es, eine langlebige sowie wartungsarme Fassadenverkleidung zu entwickeln.

Herausforderungen und innovative Lösungen

Die Architekten des im September 2020 bezugsfertigen, in warmen Erdtönen schimmernden „Turms“ sahen sich zu Beginn des Entwurfs vor eine ganze Reihe an Herausforderungen gestellt. Angefangen beim Grundstück, einem schiefwinkligen Feld. „Für ein effizientes Holz- beziehungsweise Holz-Beton-Tragwerk sind eigentlich rechtwinklige Grundrisse mit mäßig großen Spannweiten besonders günstig“, erläutert Braun. Diese Anforderung lösten die Architekten, indem sie einen Betonsockel mit dunkler Klinkerverblendung entwarfen und ins Innere einen dreieckigen Kern aus Stahlbeton integrierten, der das Treppenhaus und die Aufzüge in sich aufnimmt. Dieser „Kern“ sorgt für eine hinreichende Aussteifung und ermöglicht es, rechteckige Holz-Decken-Elemente anzuschließen. Auch die Fassadengestaltung erforderte eine innovative Lösung. Der Wunsch der Bauherrin war es, die Photovoltaik-Elemente in die Fassade zu integrieren und diese zudem ästhetisch anspruchsvoll zu gestalten.

Eine sachliche, urbane Architektur – mit Emotion und technischen Finessen

a+r Architekten ist es gelungen, eine energieerzeugende Fassade zu realisieren, ohne diese nach den Worten von Oliver Braun „allzu technisch aussehen zu lassen, was bei der Integration von klassischen PV-Modulen sicher der Fall gewesen wäre.“ Die Architekten wählten farbig beschichtete PV-Elemente, die in eine vorgehängte Fassade aus pulverbeschichteten Aluminiumblechen integriert wurden und je nach Lichteinfall farblich changieren. Diese neuartigen Dünnschicht-Solarpaneele vermitteln mit ihrem bronzefarbenen Schimmer eine gewisse Emotionalität. Die gesamte Fassadengeometrie musste sehr genau auf die Anforderungen des Holz-Tragwerks abgestimmt werden. Insgesamt wurden in Außenwand und Decke ca. 1.100 m³ Massivholz von heimischen Fichten aus dem Nordschwarzwald und Oberschwaben verbaut – das sind laut Informationen des Architekturbüros „über 1000 Tonnen auf Dauer gebundenes CO2 * – dazu kommt die CO2-Einsparung gegenüber dem Bauen mit Stahlbeton.“ Stahl und Beton wurden nur so weit wie nötig eingesetzt: So bestehen die Decken beispielsweise aus einem Holz-Brettschicht-Verbund mit sieben Metern Spannweite (Stärke 20cm) und einem Aufbeton von lediglich 10 Zentimetern.

Holz-Hybrid-Bauweise als ökologische Alternative

„Ein siebengeschossiges Büro- und Gewerbegebäude, das ab dem 1. OG als Holz-Hybrid-Tragwerk errichtet wurde, kann durchaus als innovativ bezeichnet werden“, lautet die Einschätzung von Oliver Braun – auch wenn die Holz-Hybrid-Bauweise als ökologische Alternative zu konventionellen Baustoffen mittlerweile stärker in den Fokus genommen wird.

a+r Architekten räumen ein, dass die innovative und nachhaltige Bauweise bei diesem Gebäude gut 20 Prozent Mehrkosten verursacht habe, als es bei einem herkömmlichen Bau der Fall gewesen wäre. Die Planungsleistung sei deutlich aufwendiger und man habe nur selten auf Standardlösungen zugreifen können. Diese Mehrkosten wurden jedoch von allen Beteiligten mitgetragen – und vor allem die Bauherrin hat die hohe ökologische Qualität als essentiell eingeschätzt, um das Gebäude entsprechend zu vermarkten und zu vermieten. Bis Oktober 2020 wird der Gewerbeturm vollständig bezogen sein: Mieter sind unter anderem das renommierte Welt-Ethos-Institut, Consulting-Unternehmen, Arztpraxen und ein Anbieter von Co-Working Spaces.

Das Innere: Eine Atmosphäre, wie in einem Gewächshaus

Auch die Innenarchitektur mit 4.500 Quadratmetern Gewerbefläche ist Ausdruck der klimagerechten Bauweise. Vertikale Gärten empfangen die Besucher auf jeder Ebene mit Elchfarnen, Orchideen sowie anderen Regenwaldpflanzen, die unmittelbares Wohlbefinden hervorrufen und eine angenehme Gewächshausatmosphäre verbreiten. Sinnlich ansprechend ist auch die teilweise sichtbare Holz-Verbund-Bauweise an der Unterseite der Decken und die Stützen entlang der Fassade, die das Holz ebenso sichtbar belassen. Raumhohe Verglasungen lassen viel Tageslicht in die Räume und schaffen ein Gefühl von Weite. Ein großer Saal im Erdgeschoss bietet vielfältige Optionen für Kongresse, Events und jede Art von Kulturveranstaltungen, während auf der 7. Etage ein großer Gemeinschaftsraum samt Terrasse allen Mietern der Westspitze zur Verfügung steht, die von hier aus einen spektakulären Rundumblick genießen.

Im Rücken der Westspitze wurde noch weiter gebaut. Nach einem Entwurf von a+r Architekten entstanden im Bereich der Reutlinger Straße, Josef-Wochenmark-Weg und Hanna-Bernheim-Straße ein Wohnquartier mit insgesamt 106 1- bis 5-Zimmerwohnungen sowie ein Supermarkt und eine Gewerbeeinheit, die im November 2020 fertiggestellt wurden.







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